Mitarbeiter:innen: Wolfgang Imo, Valeria Schick (Hamburg)

Das Projekt ist Teil der Forschungsgruppe „Praktiken der Personenreferenz: Personal-, Indefinit- und Demonstrativpronomen im Gebrauch“. Das Ziel dieses Projekts besteht darin, die Systematik des Gebrauchs von Personal-, Indefinit- und Demonstrativpronomen in historischen Dramen aus der Epoche des Barock, der Aufklärung und des Sturm und Drang sowie der Klassik zu erfassen. Bei der Analyse des Pronomengebrauchs in historischen Dramen sind drei Faktoren zu berücksichtigen:

  1. Dramen entstehen nicht ohne Bezüge zur Alltagsinteraktion. In einem gewissen Rahmen können sie entsprechend unter der Perspektive interaktionaler Anforderungen analysiert werden, wie sie für heutige mündliche Kommunikation erarbeitet wurden.
  1. Bei historischen Dramen muss der jeweilige gesellschaftliche und sprach­liche Rahmen der Sprachepoche berücksichtigt werden, was beispielsweise Anredekon­ven­tionen und den Ausdruck von Höflichkeit betrifft, der sich in den letzten Jahrhunderten beson­ders stark änderte.
  1. Schließlich sind darüber hinaus Dramen als Anweisungen zur Interaktionsinszenierung zu verstehen. Es sind daher auch dramaturgische Funktionen zu erfassen, denn die Anforderungen der Gattung Dra­ma, beispiels­weise Gefühle oder Gedanken der Protago­nistInnen auf der Bühne darzu­stel­len, erfordert Verbali­sierungs­­strategien wie z. B. Selbstge­spräche mit entsprechenden pronominalen Selbstanreden.

Auf der Basis eines exemplarischen Datenkorpus, bestehend aus dem Dramen­werk von A. Gryphius für die Epoche des Barock, von ausgewählten Werken G. E. Lessings für die Epoche der Aufklärung und von ausgewählten Werken F. Schillers und J. W. v. Goethes für die Epochen des Sturm und Drang und der Klassik, sollen folgende Fragen beantwortet werden:

  1. Welche Personen im Drama setzen in welchen Situationen welche Personal-, Indefinit- und De­mon­strativ­pronomen ein, was sind die Funktionen dieser Pronomen im gegebenen Kon­text und inwieweit ähneln die Verwendungsweisen Praktiken des heutigen Pronomen­gebrauchs?
  1. Welche gattungsbezogenen Verteilungen der Pronomen lassen sich feststellen und wodurch können diese Verteilungen erklärt wer­den, d. h. was sind jeweils besondere dramaturgische Anforderungen in den Stücken, zu de­ren Umsetzung Pronomen zur Personenreferenz eingesetzt werden?
  1. Auf welche Personen wird referiert und wie korrelieren Pro­nomengebrauch und sprachliche Aktivitäten?
  1. Mit Hilfe der Kontrastkorpora aus den gewählten Epochen soll zudem die Reorganisation der höf­­lich­­en Personenreferenz vom Barock über die Aufklärung zur Klassik und zum Sturm und Drang erforscht werden. Zu fragen ist dabei, ob der Wechsel vom höflichen Ihr zum Sie und auch dem Du im Sturm und Drang auch Auswirkungen auf den Gebrauch anderer personen­referierender Pronomen wie De­mon­­strativa und Indefinita mit sich zog, ob also neue Praktiken der Personenreferenz entstanden und sich die Gebrauchssituationen der höflichen Anredeform im Kontrast zum Duzen veränderte.